Programm 365

Mein Programm für die ersten 365 Tage als Bürgermeisterin

Als Kandidatin werde ich häufig nach meiner ersten Amtshandlung oder nach meinem Programm für die ersten 100 Tage gefragt. Ich möchte jedoch die gesamten fünf Jahre meiner Amtszeit erfolgreich gestalten. Dafür wird in den ersten Wochen und Monaten die Grundlage gelegt. Daher stelle ich hiermit mein Programm für mein erstes Amtsjahr vor.

Selbstverständlich sind bei den folgenden Ausführungen die demokratischen Strukturen und Vorgaben der Kommunalgesetze zu beachten. Das heißt, dass die Bürgermeisterin eigenständig nur in ihrem eigenen Hoheitsbereich der Verwaltung entscheiden kann. Für politische Beschlüsse bedarf es stets einer Mehrheit in den zuständigen Ausschüssen und im Stadtrat. Diese gilt es zusammen mit einer starken GRÜNEN Fraktion in den Gremien sicherzustellen. Gemeinsam mit der Kämmerin sind die auf den Weg zu bringenden Vorhaben unter Finanzierungsperspektiven abzusichern.

Meine inhaltlichen Ziele entsprechen den im GRÜNEN Wahlprogramm vorgestellten Ideen und Zielen.

Als Bürgermeisterin werde ich in der Verwaltung die für neue Ideen notwendigen Strukturen auf den Weg bringen und längst überfällige Vorhaben beschleunigen.

Natürlich werde ich auch bereits begonnene Projekte fortführen. Dazu gehört die Entwicklung des Mansergh Quartiers, die beschlossene Wohnungsbaugesellschaft, die medizinische und pflegerische Versorgung in den Stadtteilen sowie auch das Klinikum und die Fortführung der Jugendhilfeplanung.

Es gilt jedoch auch, einige Strukturen und Projekte ganz neu zu denken. Ich möchte mich in meinem ersten Amtsjahr auf folgende Projekte fokussieren:

1. Klimaschutz als oberste Priorität zur Chefinnensache machen

Es ist entscheidend, welchen Stellenwert Klimaschutz für die Verwaltungsspitze einnimmt. Um Ziele wie die Klimaneutralität zu erreichen, muss Klimaschutz zur Chefinnensache gemacht werden. In meinem ersten Jahr als Bürgermeisterin werde ich dafür die Grundvoraussetzungen legen:

Klimaschutz ist ein Querschnittsthema und sollte daher auch aus dem Fachbereich Umweltschutz herausgelöst werden. Die Stadtverwaltung braucht eine Stabsstelle Klimaschutz, bei der die unterschiedlichen Aktivitäten zu Klimaschutz und Klimafolgenanpassung zusammengeführt und koordiniert werden. Damit Klimaschutz gelingt, sind deutlich mehr finanzielle Mittel und eine bessere personelle Ausstattung nötig. Die Herausforderungen beim Klimaschutz sind enorm, aber nichts zu tun wird uns und folgende Generationen noch viel mehr an Anstrengung und Geld kosten.

Damit Politik und Verwaltung die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen überprüfen und – wenn nötig – nachsteuern können, müssen konkrete Ziele und erforderliche Maßnahmen in eine zeitliche Abfolge gebracht werden. Die bisherige Praxis von langen textlichen Maßnahmenbeschreibungen wird in Zukunft durch solche konkreten Ziele ersetzt.

Zu effizientem Klimaschutz gehört es auch, dass städtische Vorhaben, die dem Klimaschutz oder wichtigen umweltpolitischen Beschlüssen (beispielsweise dem Masterplan klimafreundliche Mobilität oder dem Masterplan Grün +Freiraum) widersprechen, nicht einfach durchgewunken werden können. In Verwaltungsvorlagen müssen die Auswirkungen auf Klima und Umwelt transparent gemacht, Alternativen vorgestellt und mögliche sowie erforderliche Kompensationen vorgeschlagen werden.

Ich werde Maßnahmen für eine klimaneutrale Verwaltung konkret und verbindlich für alle aufstellen und die Grundlagen für die Umsetzung legen. Mein Ziel ist eine klimaneutrale Verwaltung bis 2030. 

2. Der Weg zur autofreien Innenstadt

Programm 365 - Verkehr

Auch in der Verkehrspolitik gilt es, grundsätzlich andere Rahmenbedingungen zu setzen. Bisher wird bei der Verkehrsplanung erst einmal vom Auto her gedacht, und häufig haben wir GRÜNE oder Verbände wie der ADFC im Nachhinein Änderungen eingefordert. Gütersloh hat ideale Voraussetzungen, eine Radfahrerstadt zu werden. Wir müssen das Radfahren bequemer, sicherer und schneller machen. Das gelingt nur, wenn das Rad von Anfang an im Zentrum der Planungen steht. Um die Sicherheit zu erhöhen, müssen die gefährlichen Stellen für Radfahrende (Engstellen, Schwachstellen, unklare Verkehrsführung) analysiert und Maßnahmen zur Verbesserung umgesetzt werden.

Ich möchte einen Prozess anstoßen, bei dem durch externe Begleitung und Bürgerbeteiligung an einer perspektivisch autofreien Innenstadt gearbeitet wird.  Die Umsetzung müsste dann Zug um Zug mit konkretem Zeitplan erfolgen. Ein erster Schritt dazu sind zum Beispiel Fahrradzonen, mehr  Fahrradstraßen und zusätzliche Geschwindigkeitsbegrenzungen im Stadtgebiet.

3. Busfahren mit einem modernen Konzept attraktiver machen

Für ein gutes Buskonzept, das für schnellere, an den Bedarf angepasste und günstige Verbindungen – auch am Abend und am Wochenende – sorgt und mit der zukünftigen Zugverbindung nach Harsewinkel und Verl vernetzt ist, brauchen wir dauerhaft innovative Verkehrsexpert*innen in der Verwaltung. Es reicht nicht, wenn externe Büros einmal ein Konzept erstellen. Die Umsetzung und Nachjustierung eines solchen Konzepts ist eine wichtige Daueraufgabe, die ich in meinem ersten Jahr als Bürgermeisterin anstoßen werde.

4. Grundlage für klimaneutrales Gewerbegebiet am Flughafen schaffen

Für mich gehört zwischen Umwelt und Wirtschaft kein ausschließendes „oder“. An der Marienfelder Straße (Flughafen) ist ein klimaneutrales Gewerbegebiet zu realisieren. Da gilt es, bereits jetzt die richtigen Weichen zu stellen, damit dieses Ziel bei allen Planungen – vom Regionalplan bis zum Bebauungsplan – und Verträgen berücksichtigt wird. Unternehmen, die sich im neuen klimaneutralen Gewerbegebiet ansiedeln wollen, sollten von Anfang auf dem Weg zur Klimaneutralität begleitet werden. Eine Vernetzung der Unternehmen beispielsweise zur besseren, gemeinsamen energetischen Nutzung muss unterstützt werden.

Ich stelle mir für die weitere Entwicklung des Gewerbegebietes eine umfassende Bürgerbeteiligung und auch eine intensivere Einbeziehung von Expert*innen vor. Damit das Gewerbegebiet klimaneutral werden kann, ist es wichtig, es im Einklang mit der einzigartigen Natur in unmittelbarer Nähe zu entwickeln. Außerdem soll es mit Erneuerbaren-Energien-Anlagen ausgestattet werden und durch eine gute Anbindung mit TWE-Bahn und Fahrrad erreichbar sein.

5. Mit dem Innovationszentrum Ideen und Startup-Kultur nach Gütersloh holen und halten

Mit der beschlossenen Machbarkeitsstudie für ein Innovationszentrum in Gütersloh ist der erste Schritt für die zu treffende Auswahl möglicher Technologiefelder getan. Als nächstes wird es darum gehen, die heimischen Unternehmen und Institutionen in den Prozess einzubinden, einen Ort zu finden, Fördergelder zu akquirieren und die Idee bei potenziellen Akteuren bekannt zu machen.

Mit der Gründung eines Innovationszentrums soll eine Keimzelle für Unternehmensgründungen und ein Anziehungspunkt für hochqualifizierte Fachkräfte in Gütersloh entstehen. In den Bereichen Gesundheitswirtschaft, Inklusion, Ernährungswirtschaft, Mobilität oder Energiewirtschaft liegen Potenziale, ein Alleinstellungsmerkmal in der Region zu finden und Technologien zu fördern, die ein hohes Arbeitsmarktpotential besitzen. Als Querschnittsaufgabe soll das Thema Digitalisierung integriert und weiterentwickelt werden.

6. Eine attraktive Innenstadt zum Einkaufen und Verweilen

Programm 365 Innenstadt

Der zunehmende Online-Handel setzt Einzelhändler*innen in allen Innenstädten unter Druck. Die Menschen gehen folglich nicht mehr nur noch zum Einkaufen in die Innenstadt. Individuelle Geschäfte, Gastronomie, Aufenthaltsmöglichkeiten sind entscheidende Aspekte einer attraktiven Innenstadt. Die Schließung der Karstadt-Filiale Anfang 2021 erzeugt einen weiteren Handlungsdruck. Es muss verhindert werden, dass ein jahrelanger Leerstand im Herzen von Gütersloh entsteht. Vielmehr sind kreative Zwischenlösungen gefragt, dafür muss beispielsweise auch der Kauf durch die städtische Immobiliengesellschaft geprüft werden. Als Bürgermeisterin werde ich einen Prozess starten, bei dem mit Bürgerbeteiligung ein Konzept für die gesamte Innenstadt mit dem Karstadt-Komplex entwickelt wird. Für die City ist zudem ein Leerstandsmanagement notwendig, Vermieter*innen sollten ihrer Verantwortung gerecht werden und eine – auch vorübergehende bzw. zeitlich begrenzte – Nutzung von leerstehenden Räumlichkeiten zum Beispiel durch Künstler*innen und Startups ermöglichen.

Bei allen Konzepten sollte eine klimagerechte Gestaltung beachtet werden: Weniger versiegelte Plätze und mehr Bäume in der Innenstadt sorgen für ein angenehmes Mikroklima, Verschattung, Kühlung und verbessern gleichzeitig unsere CO2-Bilanz.

7. Kinder und Jugend beteiligen

Programm 365 - Kinder und Jugend

Ich finde: Es muss Spaß machen, in Gütersloh Kind oder Jugendliche*r zu sein.  Die jungen Menschen wissen selbst am besten, was sie brauchen und wie sie sich die Zukunft ihrer Stadt vorstellen. Daher möchte ich, dass vor allem Kinder und Jugendliche in regelmäßigen Beteiligungsveranstaltungen über die Zukunft unserer Stadt mitentscheiden. Ich werde dafür sorgen, dass das keine Alibi-Veranstaltungen werden, sondern diese Stimmen gehört werden.

Ich möchte darüber hinaus den Dialog mit den Bürger*innen ausbauen und weitere Beteiligungsformate etablieren. Je nach Thema und Projekt können das Bürgerkonferenzen, Zukunftswerkstätten oder andere zukunftsweisende Formate sein. Digitalisierung kann dabei helfen, wird aber den persönlichen Austausch nicht ersetzen. Richtig gemacht ist Bürgerbeteiligung eine Bereicherung für Verwaltung und Politik, sie aktiviert Menschen und kann die Akzeptanz für politische Beschlüsse erhöhen.

8. Schulen fit machen

Der geballte Neubaubedarf an allen Schulen zeigt, dass es in den vergangenen Jahren versäumt wurde, auf angezeigte Bedarfe rechtzeitig zu reagieren und einen Plan zur Lösung zu erstellen. Das stellt uns vor riesige Herausforderungen, die leider nicht kurzfristig zu beheben sind.

Beim angefangenen Prozess zur Lösung des Raumbedarfs müssen Schüler- und Elternvertretungen sowie die Lehrer*innen mehr beteiligt und über Vorgehensweisen informiert werden.

Letztendlich bleibt die Entscheidung über konkrete Vorhaben beim Rat. Damit dieser dauerhaft tragfähige Entscheidungen treffen kann, ist die ehrenamtliche Kommunalpolitik darauf angewiesen, dass ihnen die Verwaltung von Anfang an ehrliche und realistische Informationen über Kosten und Bedarfe zur Verfügung stellt. Dafür werde ich sorgen.

Die Digitalisierung der Schulen hat begonnen und muss konsequent weitergeführt werden. Damit die Technik auch genutzt werden kann, muss die Stadt für eine gute technische Unterstützung durch ein IT-Dienstleistungsunternehmen oder eigene Techniker*innen sorgen. Darüber hinaus ist es wichtig, dass allen Schüler*innen die Geräte zur Verfügung stehen und bedürftige Familien bei der Anschaffung oder beim Leihen unterstützt werden. 

9. Moderne Amtsführung mit Herz und Verstand: Zuhören, mitnehmen, entscheiden

Meine Antriebsfeder ist es, mit Grünen Ideen die Stadt zu entwickeln und für die Zukunft aufzustellen. Sicherlich habe ich mich in der ersten Zeit als Bürgermeisterin in viel Neues einzufinden. Dabei höre ich zu und hinterfrage bisherige Abläufe und Prozesse. Meine Art der Amtsführung möchte ich auf alle Bereiche beziehen, von der Personalführung innerhalb der Verwaltung über die Bürgerbeteiligung und die Zusammenarbeit mit der Kommunalpolitik bis hin zur Kooperation mit Nachbarkommunen und übergeordneten Instanzen.

Bei der Personalführung sehe ich meine Aufgabe darin, Verwaltungsmitarbeiter*innen mitzunehmen, zu motivieren und durch eine respektvolle Kommunikation auf Augenhöhe zu führen. Die Mitarbeiter*innen sollen wissen, wofür ich stehe, und mit ihren Ideen zu mir kommen können. Mit großem Vertrauen und einer offenen Fehler- und Rückmeldekultur möchte ich die Mitarbeiter*innen dazu bringen, eigenverantwortlich zu handeln, Verantwortung zu übernehmen und zielführende Lösungen zu suchen. Denn ich bin fest davon überzeugt, dass Menschen im Sinne der eigenen Stärken und Kompetenzen arbeiten wollen.

Die Bürgerbeteiligung muss einen gesteigerten Stellenwert bekommen. Bürgerbeteiligung ist kein Hemmschuh, sondern kann Verwaltungshandeln bereichern. Es ist wichtig, den Menschen zuzuhören, um zu wissen, wo der Schuh drückt und welches Handeln gefragt ist.

Bisher war ich in puncto Zusammenarbeit zwischen Verwaltung und Politik immer auf der Seite des Rates. Diese Erfahrung werde ich als Bürgermeisterin nicht vergessen: Ich stehe für ein Miteinander und nicht für ein Ignorieren. Ehrenamtliche Kommunalpolitiker*innen können nur dann gute Entscheidungen treffen, wenn sie alle Informationen zur Verfügung haben und in Prozesse eingebunden sind. Soweit möglich, ist die Rathaustür für alle geöffnet.